Vor zwei Jahren haben wir uns dazu entschieden unseren Sohn in der Schule abzumelden und seit dem sind wir eine Homeschooling-Familie. Das heißt, im Moment, geht keines unserer Kinder zur Schule. Der Große mit seinen 7 Jahren wäre in der 1. Klasse und die Mittlere mit 4 Jahren in der Vorschule. Wie es dazu kam und welche Beweggründe uns zu dieser Entscheidung gebracht haben, kannst du in folgendem Blogartikel erfahren...
April 2020 - Wir reisen zurück in den ersten Corona-Lockdown. Die Schulen sind seit zwei Monaten geschlossen. Unser Großer war damals 5 Jahre alt und in der Vorschule. Der Lockdown hatte seine Spuren hinterlassen und unseren Familienalltag grundlegend verändert. Hauptsächlich unser Sohn war wieder aufgeblüht. Seine Augen funkelten wenn Papa ihm etwas aus Tier-Sachbüchern vorlas oder über das Planetensystem sprach. Fred war schon immer aufgeweckt und an allem interessiert... bis er in die Schule kam. Emotional war er damals noch nicht bereit für eine so große Gruppe und oft überfordert. Er hatte viele Ängste. Zwar machte er seine Aufgaben in der Schule so wie es verlangt wurde, aber ich spürte, dass sein authentischer Wissensdrang zu Hause nach ließ.
Im Lockdown haben wir als Familie viele neue Werte entdecken dürfen. Der gemeinsame Gemüseanbau, die vielen Waldspaziergänge, Picknick im Garten, das gemeinsame Kochen etc. Die Kinder durften einfach in unserem Familienalltag mit helfen .... und so entstanden viele Lernsituationen von selbst. Meine Tochter hat zum Beispiel mit zwei Jahren ganz alleine Erdbeeren aus unserem Garten geputzt und in zwei geschnitten. Das Leben bietet so viele authentische Lernmöglichkeiten, welche in der Schule künstlich hervorgerufen werden und oft nicht das Interesse der Kinder wecken. Denn nur wer wirklich am Lerninhalt interessiert ist, der speichert das Erlernte im Langzeitgedächtnis und kann dieses später wieder in neuen Situationen einbringen und umsetzen. Und nur dann entstehen auch Kompetenzen fürs Leben.
Tschüss Schule... hallo Leben....
Das war auch einer der Gründe warum ich als Lehrerin gekündigt habe. Im Studium wurde immer wieder von diesen authentischen Lernsituationen berichtet, die wir dann in der Schule künstlich hervorrufen sollten. Damit tat ich mich jedoch sehr schwer und oft blieb uns keine Zeit dafür, weil wir dem Lernplan folgen mussten um am Ende des Schuljahres alles abgehakt zu haben.
Ein zweiter Grund waren die zahlreichen Schüler pro Klasse und jedes Jahr wurden die Klassen wegen Personalmangel größer. Jedes Kind brachte ein eigenes emotionales Gepäck mit, welches in der heutigen Gesellschaft bei vielen Kindern enorm groß ist. Doch ich fühlte mit den Jahren, dass ich meinen Schülern nicht mehr gerecht werden konnte... Mir viel es zunehmend schwer eine intensive Bindungen mit 23 Erstklässlern aufzubauen und sie auch emotional auf zu fangen. Es blieb einfach keine Zeit zwischen administrativem Kram und dem Druck ausgehend vom Lernplan. Mir wurde dann immer gesagt, das sei nicht die Aufgabe der Schule... aber mir war es einfach wichtig, dass Kinder sich wohl fühlen um auch lernen zu können. Denn nur wer emotional gut drauf ist, hat den Kopf für Neues frei... das wissen wir alle. Das ist bei uns Erwachsenen genau so...
Schlussendlich entsprach das Belohnungssytem, welches so oft als Motivation zum Lernen eingesetzt wird, nicht meinen Vorstellungen. Erstens werden damit die Kinder bestraft, die vielleicht noch nicht bereit sind für den Lernstoff und nicht so gut voran kommen wie die "Besseren". Außerdem machen es doch die meisten nur der Belohnung und Aufmerksamkeit wegen und nicht aus reinem Interesse am Lernen.
So wurde mir also klar, dass wir unsere Kinder nicht zur "normalen" Schule zurück schicken können, wo ich doch als Lehrerin gekündigt habe, weil das System nicht mehr meinen Werten entsprach. Die Werte der staatlichen Schule sind leider weit entfernt von den Werten die wir unseren Kindern fürs Leben mitgeben möchten.
Lernen ohne Stress und mit vollstem Vertrauen
Unsere Gesellschaft, unsere Welt ist aktuell im Wandel und vieles wird sich in Zukunft ändern. Freiheit und Freiraum sind im Homeschooling für uns sehr von Bedeutung. Für uns ist es wichtig, dass unsere Kinder neben Lesen, Schreiben und Rechnen, ihren Talenten und Motivationen nachgehen. Es gibt keinen "Stellenwert", Lesen ist zum Beispiel nicht wichtiger für uns als der Wunsch unserer Tochter Yoga zu machen oder einfach draußen im Matsch zu spielen. Klar schauen wir, dass wir die "Grundfächer" abdecken. Dies wird auch so von der Schulbehörde verlangt und kontrolliert. Trotzdem lassen wir uns vom Interesse der Kinder leiten. Wir lesen dann Sachbücher und Zeitschriften zu den Wunschthemen der Kinder und unterstützen sie in der Umsetzung ihrer passenden kreativen Ideen. Sei es beim Basteln, Malen, Lego bauen, backen usw.
Der sogenannte Lernplan verläuft also ganz individuell... ganz im Sinne der Kinder. Wir versuchen so weit es geht, den Rhythmus der Kinder zu berücksichtigen und den "Lernstoff" aus den Grundfächern ohne Stress an zu gehen.
Anfangs viel unserem Sohn zum Beispiel, das Silbenlesen sehr schwer. Er bevorzugte zu dem Zeitpunkt die Rechenaufgaben und somit reduzierten wir das Lesen auf einen Minimum um ihn nicht zu frustrieren. Das war ok für uns, denn wir waren im Vertrauen, dass auch der "Klick" fürs Lesen kommen wird. Drei Monate später konnte er fast wie von heute auf morgen, ganze Sätze lesen.
Ich war erstaunt und wurde in meiner Vorgehensweise bestätigt. Lernen ist viel mehr als das Abarbeiten von Arbeitsblättern... Lernen heißt auch Vertrauen ins eigene Kind. Denn sie wollen lernen, aber manchmal ist das Gehirn noch nicht "reif" dafür und es braucht noch etwas Zeit. Druck und Stress sind dann fehl am Platz. Auf diese Art und Weise ermöglichen wir ihnen auch sich selbst zu vertrauen, das Interesse am Lernen und Leben zu erhalten und ihre Entdeckerfreudigkeit nicht zu "ver-lernen" ;)
Nicht umsonst heißt es: LIFELONG LEARNING ... das Neue erlernen und entdecken, macht doch auch uns Erwachsenen noch immer Spaß. ;) Wieso dann nicht gleich das ganze Leben so aufbauen?
Michèle